Die Papiermühle
Papiergeschichte in Kürze
Papier, das ist für uns heute ein nicht mehr wegzudenkender Stoff, der uns nicht nur als Beschreibstoff, sondern in seiner gesamten Bandbreite vom Verpackungsmaterial über Hygieneprodukte bis hin zum Geldschein tagtäglich begegnet.
Doch was war, bevor es Papier gab?
Das Bedürfnis, sich in Symbolen und später in Schriften mitzuteilen, zwang den Menschen, sich mit beschreibbaren Materialien auseinanderzusetzen. Dies waren anfangs primitiv gekratzte Zeichen in Stein und Lehm bis hin zum heutigen Bildschirm am Computer.
Bekanntester Vorläufer des Papiers war der ägyptische Papyrus, der unserem Papier den Namen gab, und der auf die Zeit um 3500 v. Chr. zurückgeht. Dieser für Ägypten wichtigste Exportartikel war weithin üblich, so auch in Griechenland und Rom.
Zur Herstellung des Papyrus verwendete man die unteren Stengelteile der Papyruspflanze. In Streifen geschnitten wurden sie überlappend aneinandergelegt. Durch starkes Pressen und Trocknen verklebten die Streifen durch ihren eigenen Saft. Die Bogen waren ohne weitere Behandlung sofort bescheibar.
Der andere wichtige Vorläufer unseres Papiers war das Pergament. Meist aus Häuten von Schafen und Ziegen hergestellt, diente es während des Mittelalters den klösterlichen Buchschreibern genauso wie Kaufleuten für Verträge oder den Herrschern als Urkunden- und Briefpapier.
Der Nachfolger des Pergaments war dann unser Büttenpapier.
Bereits im Jahr 105 n. Chr. war in China die Herstellung von Papier aus Textilfasern mit einem Schöpfsieb bekannt. Erst Mitte des 8. Jh. Gelangte durch chinesische Kriegsgefangene dieses Wissen nach Arabien. Mit den Eröberunszügen der Araber kam das Papier Anfang des 10. Jh. nach Ägypten, Syrien und später über Nordafrika in das südliche Europa. 151 wurde in Spanien das erste europäische Papier hergestellt. Vermutlich über Italien erreichte die Papiermacherkunst Deutschland. Im Jahr 1390 baute der Handelsherr Ulmann Stromer die Gleismühle in Nürnberg zur ersten Papiermühle in Deutschland aus.
Hier in Thierhaupten ließ 1609 Abt Kaspar Bschorn (1597-1619) die Papiermühle als klostereigene Mühle erbauen. Fast 250 Jahre arbeiteten hier die „Papyrer“. Jene Bogen, welche alljährlich an das Kloster zu liefern waren, trugen als Wasserzeichen das Wappen des jeweiligen Abtes.
Bis zur Säkularisation fanden diese Papiere sowohl in den klösterlichen Schreibstuben Verwendung als auch in der klostereigenen Druckerei. 1847 beendete ein Brand mit Totalverlust die Papierherstellung in Thierhaupten. Leider ist durch diesen Brand von 1847 nichts mehr von unserer Thierhauptener Papiermühle vorhanden. So haben wir für unser Museum den Teil eines Hadernstampfwerkes nachgebaut, wie es in deutschen Papiermühlen üblich war und so auch in Thierhaupten gestanden haben dürfte. Auch die Schöpfbütte ist ein Nachbau und in der Größe unseren örtlichen Gegebenheiten angepaßt. Als einziges Original ist die Naßpresse der Baarer Papiermühle aus der Schweiz erwähnenswert, die uns freundlicherweise vom Schweizer Druck- und Papiermuseum in Basel überlassen wurde.
Die Papierherstellung
Mit der Ausbreitung des Buchdrucks und dem Entstehen umfangreicher Verwaltungssysteme der Städte und der Feudalherren stieg in der zweiten Hälfte des 15. Jh. Der Papierverbrauch enorm. Durch diesen Aufschwung der Papiermacherei häuften sich von da an auch die Neugründungen von Papiermühlen. Die meisten Papiermühlen waren ähnlich eingerichtet und hatten nur eine Bütte. Damit war auch die Produktionsleistung festgelegt.
Rohstoff
Als Rohstoff für die Papierherstellung dienten Leinenhadern. Von Lumpensammlern in fest reglementierten Bezirken gesammelt, wurden sie zur Verarbeitung in die Papiermühle gebracht. Frauen reinigten sie hier erst einmal, sortierten sie und zerkleinerten de Lumpten schließlich mit der Hand in kleine Stücke. Dabei wurde auf die unterschiedliche Beschaffenheit des Leinen geachtet. Nähte und Säume sortierte man aus. Anschließend wurden die Lumpen gefault. Mancherorts geschah dies in Faulkellern, aber auch in Gruben aus Stein. Mit Wasser benetzt, entwickelten die durchfeuchteten Lumpenhaufen Wärme. Erst nach einigen Tagen wurden sie dann gewendet, um erneut für ein paar Wochen zu faulen. Die Zeitdauer dieses Faulprozeßes richtete sich nach dem Feinheitsgrad der Lumpen: je feiner desto schneller.
Die weiche Hadernmasse kam nun in das Stampfwerk. Der Wellbaum des Wasserrads ragt in entsprechender Länge des Stampfwerks in die Mühle und ist mit hölzernen Daumen besetzt. Diese Daumen heben die mit Eisen beschlagenen Hämmer in den Stampftrögen hoch. Durch ihr Eigengewicht fallen sie dann auf die eiserne Bodenplatte zurück und zerstampfen dabei die Lumpen. Durch stunden-, manchmal tagelanges Stampfen lösen sich die Fasern im Wasser langsam zu einer gleichmäßigen Masse auf. Ist der benötigte Feinheitsgrad etwa zur Hälfte erreicht, spricht man vom „Halbzeug“. Dieses wird dann im Stampfwerk mit flacher beschlagenen Hämmern zum „Ganzzeug“ fertiggestampft. Während des ganzen Stampfvorgangs führte man den einzelnen Trögen immer Frischwasser zu, so dass an gleichzeitig den Stoff reinigte. Anfang des 18. Jh. Gelangte der sog. Holländer, ein Lumpenmahlwerk, nach Deutschland. Er ersetzte vielerorts den zweiten Stampfgang vom Halbzeug zum Ganzzeug. Damit wurde die Arbeitszeit des Lumpenstampfens erheblich verkürzt.
Schöpfen
Papiermühlen waren eine der ersten Betriebe mit Arbeitsteilung. Die Papierer arbeiteten Hand in Hand. So stand der erste Geselle oder der Meister selbst an der Bütte beim Schöpfen der Papierbogen. In der Bütte wurde der Stoff aus den gestampften Fasern mit Wasser auf die enstprechende Menge verdünnt. Mit dem Schöpfsieb, das aus dem festen Sieb und einem abnehmbaren Rahmen bestand, wurde nun vom Büttgesellen durch Schöpfen aus der Bütte der Papierbogen auf dem Sieb gebildet, - daher auch der Name Büttenpapier. – Dieser legte das Sieb am Büttenrand ab und schöpfte mit einem weiteren Sieb den nächsten Bogen.
Gautschen
Währenddessen nahm der zweite Geselle, der sog. Gautscher, das erste Sieb und drückte es mit dem nassen Blatt auf einen Filz, auf dem der Bogen haften blieb. Darauf legte er wieder einen Filz, um einen weiteren Bogen abzugautschen usw. So entstand ein Stoß von Filzen mit dazwischen liegenden Papierbogen. Dieser sog. Pauscht wurde in einer großen Spindelpresse ausgepresst, so dass ein Großteil des noch im Papier und in den Filzen vorhandenen Wassers abfloss.
Legen und Trocknen
Der dritte Papierer, der Leger, trennte anschließend Filze und Papierbogen. Der Papierstoß wurde nochmals gepreßt, bevor die Bogen von weiteren Hilfskräften im Dachboden der oft mehrstöckigen Papiermühle zum Trocknen aufgehängt wurden. Meist waren es hohe, steile Dächer mit Lukenreihen, wo eine gute Durchlüftung stets gewährleistet war. An diesen charakteristischen Dächern waren die Papiermühlen meist schon von weitem zu erkennen.
Um die Papierbögen beschreibbar, also tintenfest zu machen, mußtss die Oberfläche behandelt werden. Darum gab es in jeder Papiermühle auch eine Leimküche, in der aus Tierhäuten und Klauen Leim gekocht wurde. Durch dieses wässrige Leimlösung mussten die getrockneten Papierbögen gezogen, wiederum ausgepresst und getrocknet werden. Die einzelnen Bogen glätteten die Papierer von Hand mit einem Glättstein (Achat). Erst im 16. Jh. wurde mit der Einführung des wasserkraftgetriebenen Glätthammers diese Arbeit mechanisiert. Waren die Bogen nun soweit fertig, sortierte man sie nach Qualität, zählte und falzte sie und bündelte sie zu einem „Ries“ zusammen. Es enthielt bei Schreibpapier 480 Bogen und bei Druckpapier 500 Bogen.
Das Wasserzeichen
Hält man einen Bogen Papier gegen das Licht, entdeckt man darauf oft eine durchscheinende Figur, das sogenannte „Wasserzeichen“. Es entstand früher dadurch, dass man auf das Schöpfsieb in der gewünschten Form einen Draht aufnähte. Dadurch wurde der Papierbogen an dieser Stelle dünner und damit durchsichtiger. Oft waren es nur die Initialen der Papiermüller selbst. Unterstanden sie einem Feudalherren oder waren sie klösterlicher Besitz, zeigten die Wassereichen oft Wappen der jeweils Regierenden. Heute dienen uns die Wasserzeichen unter anderem zur Herkunfts und Altersbestimmung historischer Schriften und Drucke.
Papier heute
Erst mit den Einsatz von Papiermaschinen und der damit verbundenen erheblichen Produktionssteigerung wurde der Rohstoffmangel an alten Lumpten zu einem akuten Problem. Friedrich Gottlob Kellers (1816-1895) Erfindung, Holz durch Nassschleifen als Rohstoff für die Papierherstellung zu erschließen, war die Lösung dieses Problems. Nach der Präsentation einer Holzschleiferei auf der Weltausstellung in Paris 1867 setzte sich der Rohstoff Holz als Zusatz zu den herkömmlichen Lumpen endgültig durch. Völlig verdrängt wurde der Lumpenrohstoff als das chemische Verfahren der reinen Zellstoffproduktion entwickelt war. Damit brach die neue Ära einer hochproduktiven Papierindustrie an, die dem Klein- und Mittelstand in der Papierproduktion den Todesstoß versetzte. So war es mit den Jahrtausende alten Formen der Papierherstellung vorbei; die industrielle Großproduktion deckte im folgenden den bis heute ständig ansteigenden Papierbedarf.